Geschichten eines Nachtportiers

Arbeiten, wenn andere schlafen: das ist eine Herausforderung für Körper und Seele - aber vor allem für die Lachmuskeln. Was passiert, wenn die halbe Welt im Bett liegt und träumt? Matthias W., Student und Aushilfs-Nachtportier in einem Kölner Hotel, hat es uns verraten.

Seit über drei Jahren arbeitet der Automotive-Engineering-Student als Nachtportier. Dass man ihn in seinem Job „Mädchen für alles“ nennt, macht ihm nichts aus. Wie ein Mädchen sieht der vollbärtige Rothaarige zwar überhaupt nicht aus – aber sonst beschreibt die Bezeichnung seinen Job ganz treffend. Zu seinen Aufgaben gehört alles, was nachts in einem Hotel so anfallen kann: Er ist Nachtportier, Barkeeper, Putzfrau, Touristenführer und Seelsorger in einem.

Abwechslungsreicher Zeitvertreib

In seiner Schicht von 22 Uhr bis 6 Uhr wird ihm ganz sicher nicht langweilig: Er kümmert sich um eingehende Reservierungen, Check-In, Schlüsselübergaben, verrät seinen Gästen die schönsten Ecken Kölns und versorgt sie mit Getränken und guten Ratschlägen. Wenn es mal ruhiger wird, nutzt der Nachtportier die Zeit zum Lernen. „Wobei in der Nacht die Motivation und auch die Fähigkeiten schnell abnehmen“, schmunzelt der Student. Wenn ihm wirklich langweilig ist, dann greift er schon mal zur Fernbedienung. Vom nächtlichen Fernsehprogramm will er uns dann doch lieber nicht erzählen. Meistens ist nachts aber immer was los: Passanten verirren sich in sein Hotel, Partymacher gesellen sich zu ihm, verbringen die ganze Nacht an seinem Tresen und erzählen ihm von intimen Problemen.

Berater in allen Lebenslagen

Die Gästebetreuung- und Beratung während der Nacht gehört zu den obersten Prioritäten eines Nachtportiers. Dass dazu allerdings auch die Beratung in allen Lebenslagen gehört, damit hätte Matthias W. vor Jobantritt nicht gerechnet: „Es passiert auch, dass man als Seelsorger gefragt ist. In solchen Fällen ist das Einfühlungsvermögen gefragt.“
Einfühlungsvermögen hat er - bis jetzt konnte er damit fast jedem Gast weiterhelfen. Fast. Ein schwedischer Gast hat dem jungen Nachtportier ganz besonders vertraut. Nach einem Besuch in Oberhausen  rief der Gast ihn an und wollte wissen, wie er mit der Bahn am schnellsten ins Hotel in Köln Mülheim kommt. Nach der Anfahrtsbeschreibung des Studenten landete der Schwede allerdings statt im Kölner Stadtteil im 70 Kilometer entfernten Mühlheim an der Ruhr. Damals hatte Matthias W. noch ein schlechtes Gewissen, heute kann er über die Geschichte lachen.

Die meisten seiner nächtlichen Erlebnisse haben mit Alkohol zu tun: Gäste, die es nicht mehr schaffen die eigene Zimmertür aufzuschließen oder eine Gruppe Mädels, die kollektiv ihren Magen in der Eingangshalle entleert. Richtig Sorgen machte sich Matthias W., als sich muskelbepackte Männer vor dem Hoteleingang anschrien und die Situation zu eskalieren schien. Beim nächsten Blick sieht er allerdings: Statt sich zu prügeln, wedelten die muskelbepackten Bodybuilder divenhaft mit ihren Händen hin- und her. Ein lautes Lachen konnte sich der Nachtportier da nicht verkneifen. Allerdings gibt es auch Geschichten, die nicht so glimpflich verlaufen. Dann muss der Nachtportier Geduld haben, Ruhe bewahren und verständnisvoll bleiben.

Ein Gast bleibt dem charmanten Portier ganz besonders im Gedächtnis: „Eine nette weltgewandte, schwäbische Französin, die mehr als drei Monate im Jahr zu Gast ist – sie hat zu allem eine Geschichten - den Rest kann jeder für sich interpretieren.“

Ein leidenschaftlicher Nachtportier …

… nicht nur wegen seiner Begeisterung für französische Gästinnen, sondern auch für seinen Aushilfsjob. Trotz der anstrengenden Arbeitszeiten liebt der Student seine Beschäftigung:
„Der Kontakt zu Menschen unterschiedlichster Kulturen, Berufe und Gesinnungen ist oft sehr interessant und unterhaltsam. Manche Begegnungen wecken den Hobbypsychologen in einem, vor allem wenn Alkohol im Spiel ist. Außerdem ist es auch immer angenehm, wenn wenig zu tun ist und man Zeit hat für einige Dinge – Geld zu bekommen für das Lernen für die Uni, macht durchaus Spaß.“

Diese Begeisterung kommt auch bei den Gästen an. Die fühlen sich wohl beim Nachtportier und verbringen so manchen Abend mit ihm. Am nächsten Tag begrüßt er diese zwar nicht mit einem High5, aber immerhin: man duzt sich.

Ab 4 Uhr wird es ruhiger in der Eingangshalle. Jetzt beginnt Matthias W. mit den Vorbereitungen für den Tag - den Gastronomiebereich putzen, das Frühstücksbuffet und künftige Abreisen vorbereiten. Und zu einer Uhrzeit zu der andere sich morgens im Bett noch mal umdrehen, heißt es für den Nachtportier: Endlich Feierabend!